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Meine so wohl malerische als auch bildhauerische Besorgnis besteht ursprünglich nicht darin, aus den Grenzen des Rahmens hinaus zu gehen oder mich ja sogar darin einzusperren.

Meister Hokusai gemäB ist mein wirkliches Ziel, « eine Linie zu führen, um das Leben zu bedeuten » und zwar eben dadurch Tod und ewigen Neuanfang jenes fragenden Dazwischens, in dem wir uns befinden. Jenseits dieser Idee und im plastischen Ausgang dieses Ziels steht ja das Buch als ein privilegierter Zeuge des Denkens und als das Weltgedächtnis an der Schwelle meiner Arbeit.

Aus der ursprünglichen Zusammensetzung des Buchs heraus werde ich dazu gebracht, meine mit Papier aufgezogenen Gemälde und meine Werke auf Papier als die Seiten eines selbstbiographischen Buchs zu betrachten, dessen Niederschreiben ich mit Hilfe eines Pinsels begonnen hätte und das sich alleine fortsetzt, wodurch diesen Seiten eine Freiheit verliehen wird, die weder durch ein Gestell noch einen Rahmen zu vernichten ist. Meine Gemälde werden so … endlich frei, … grenzenlos und dabei mit den Blättern eines Buchs verwandt.

Über den technischen Papiergebrauch hinaus, der meinem Werk als Malerin oder Bildhauerin inne wohnt, kommen Konstanten vor, die sich aus der Buchthematik ergeben wie etwa graphische Schriftelemente und tetragrammisches Symbol, das ich endlos wiederhole, oder das Tetragrammgitter, das aus Quadraten besteht und bemalte Gemälde oder Wandskulpturen strukturiert, in welche Schriftmotive hinein geschrieben werden, die auch auf Logogramm und Tetragramm zurück zu führen sind. Dabei werden diese Gitter nicht durch eine Vertikale begrenzt oder geschlossen, woduch wir dazu aufgefordert werden, sie uns als ein Sichewigfortsetzen vorzustellen. Durch diese « unermessliche Widerspiegelung » werden wir auf die Vielfalt von Schriftlinien und Buch verwiesen, die wir in meinen  Objekt-Büchern wieder finden, d.h. in Unikaten, die meistens eine Sphärenform aufweisen, wodurch wir das « Buch » in der endlosen Kreisliniedes Buchstabens umfassen können.

Juli 1994

Sylvia Elharar-Lemberg 

 

In Fortsetzung und Kontinuität dieser Arbeit, in die der « besagte unbesagte Name » als eine fragende Geistesnotwendigkeit hinein geschrieben wird, wurde seitdem der Zeitverlauf durch ein Umblicken auf den Raum um meinen Arbeitsort ersetzt so wie aufs Gleis, das sich um mein Atelier betätigt : d.h. auf einen Ort des Hineinschreibens überhaupt, wo sich die Trassierung der vorbei fahrenden Züge, die so die Spur ihres Vorbeifahrens hinein prägen, in eine mühsame Arbeit hinein schreibt, die meiner plastischen Arbeit gleicht.

Zunächst wurde der Ort inspiziert, ich « atmete » ihn « ein » und zwar auf der Suche nach einer gemeinsamen Geschichte, ich erarbeitete sie notfalls, da ich keine andere Alternative als die hatte, mit diesem Ort vertraut zu werden, der alles in allem beeindruckend und faszinierend war. Ich nahm mir also vor, auf diesem Gleis die in meinen Augen bedeutungsvollsten Objekte aufzulesen und bis dahin zu warten, dass mich letztere « erkennen ».

Allmählich rückten sie zu ihrem « Platz » in Skulpturen, Zusammensetzungen, Collagen usw.

Nach dem « besagten unbesagten Namen » setzte sich der « besagte Ort » anscheinend ungehemmt durch, da meine mit Buchstaben karierten Gemälde durch Kathetometer und Gleiser ein neues Schreiben aufweisen, das sie durchquert, und zwar in einer Arbeit, die schon vor dem Bahnhof Noisy-le-Sec einsetzte.

 

März 1996

Sylvia Elharar-Lemberg

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